Die Kosten der Schweizer Landwirtschaft bleiben auch in der zweiten Ausgabe des Privilegienregisters hoch. Sie stehen in keinem Verhältnis zur wirtschaftlichen Kraft des Sektors, sondern spiegeln vielmehr dessen politische Einflussnahme. Das vorliegende Analysepapier zeigt – basierend auf einer aktualisierten und überarbeiteten zweiten Ausgabe des Privilegienregisters – die neueste volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Bilanz der Agrarpolitik. Diese hat sich gegenüber dem Jahr 2018 nochmals verschlechtert. Die Kosten sind um 4% auf jährlich 20,7 Mrd. Fr. gestiegen. Durch Vergleiche mit anderen Politikfeldern lassen sich die Zahlen der Landwirtschaft volkswirtschaftlich und politisch einordnen. Zuletzt werden Empfehlungen für eine Agrarpolitik mit Zukunft formuliert.

1_Bedeutung der Agrarpolitik

Die politische Einflussnahme der Agrarwirtschaft in der Schweiz ist hoch, für keinen anderen Wirtschaftssektor klaffen politische Repräsentanz und wirtschaftliche Bedeutung stärker auseinander: So ist kaum eine andere Lobby in Bern stärker präsent, administrativ befasst sich ein eigenes Bundesamt mit der Landwirtschaft. Wirtschaftlich betrachtet beträgt der Anteil des Sektors an den vollzeitäquivalenten Stellen gerade einmal 2,4% (BFS 2019a,e), und der Anteil am Bruttoinlandprodukt (BIP) ist 2018 mit 0,6% so gering wie noch nie (BFS 2019b,c,d). Die Produktivität des Sektors ist stark unterdurchschnittlich.

Im neuesten Report des World Economic Forums (2019) über die Wettbewerbsfähigkeit von 141 Ländern rutschte die Schweiz im weltweiten Vergleich auf Platz 5 ab. Stark unterdurchschnittlich schneidet die Schweiz insbesondere bei den Handelshürden (Rang 87) und der Komplexität des Zollsystems (Rang 141) ab – beides Indikatoren, die stark von der politisch gewollten Abschottung des inländischen Agrarmarktes geprägt sind.

Unterstützung entlang der agrarwirtschaftlichen Wertschöpfungskette

Volkswirtschaftlich betrachtet fällt nicht nur der Agrarschutz negativ ins Gewicht – die OECD (2019) schätzt die Kosten im Jahr 2018 auf 3,1 Mrd. Fr. – sondern auch die zahlreichen und vielfältigen Stützungsmassnahmen des Bundes und der Kantone in der Höhe von 4,2 Mrd. Fr. zugunsten des Sektors (Dümmler und Anthamatten 2020). Bis zur Publikation der ersten Ausgabe des «Privilegienregisters» durch Avenir Suisse (Dümmler und Roten 2018) fehlte eine systematische Sammlung der Vorteile, von denen viele Akteure entlang der agrarwirtschaftlichen Wertschöpfungskette profitieren. Es sind nicht nur die Urproduzenten, d.h. die Landwirte, die gestützt werden, sondern teilweise direkt, meistens aber indirekt auch Händler von Saatgut, Dünger, Pflanzenschutzmitteln und landwirtschaftlichen Maschinen sowie Verarbeiter und Detailhandel. Dabei geht die politische Rechtfertigung der Subventionen und Vergünstigungen von «in Nöten steckenden Bauernfamilien» aus, obschon am Ende gerade diese Familien am wenigsten vom System profitieren. Beachtliche Teile der aufgewendeten Finanzmittel fliessen über die Bauern an vor- und nachgelagerte Teile der agrarwirtschaftlichen Wertschöpfungskette.

Entscheidender Einfluss auf die Umweltpolitik

Die Agrarpolitik ist somit nicht nur für die Bauern, sondern für ein ganzes System von Organisationen und Unternehmen entscheidend. Entsprechend werden im politischen Prozess Ressourcen investiert, um den Besitzstand zu wahren und auszubauen. Doch die Agrarpolitik hat nicht nur Auswirkungen auf die Akteure entlang der Wertschöpfungskette, sondern auch entscheidenden Einfluss auf die Umweltqualität, die Kosten für Steuerzahler und Konsumenten sowie nicht zuletzt via Aussenhandelspolitik auf die exportorientierten Unternehmen der Schweiz.

2_Die Agrarpolitik kostet uns jährlich 20,7 Mrd. Fr.

Volkswirtschaftliche Kosten der Agrarpolitik

Auch die vorliegende zweite Ausgabe des Privilegienregisters bestätigt die hohen volkswirtschaftlichen Kosten der Schweizer Agrarpolitik: 20,7 Mrd. Fr. (2018), dies ist gegenüber der ersten Ausgabe (2016) eine Steigerung um 4%. Rein rechnerisch betragen heute die volkswirtschaftlichen Kosten rund

  • 200’000 Fr. pro Beschäftigtem (Vollzeitäquivalente) in der Landwirtschaft und Jahr.
  • 400’000 Franken pro Bauernhof und Jahr.
  • 2 Mio. Fr. pro Quadratkilometer landwirtschaftlicher Nutzfläche und Jahr.
  • 44,7 Mio. Fr. pro Tag und 1,9 Mio. Fr. pro Stunde.

Die volkswirtschaftlichen Kosten der Landwirtschaft lassen sich auf vier Kostenträger aufteilen (vgl. Abbildung 1). Die Hauptlast der Agrarpolitik entfällt auf Steuerzahler und Konsumenten, sie tragen zusammen jährlich 8,5 Mrd. Fr. der Gesamtkosten. Die Weinförderung ist nur eines von zahlreichen Beispielen, wohin dieses Geld konkret fliesst (vgl. Box). Eine Übersicht über alle Kostenpositionen findet sich im Privilegienregister (Dümmler und Anthamatten 2020).

Betrachtet man die anfallenden Kosten pro Haushalt (in seiner Rolle als Konsument und Steuerzahler) in der Schweiz, liegen diese bei 1011 Fr. für den Konsum (davon alleine 826 Fr. pro Jahr für teurere Lebensmittel aufgrund der Marktabschottung) und bei 1258 Fr. für Steuern. Insgesamt kostete im Jahr 2018 die Landwirtschaft somit jeden Haushalt 2269 Fr. (BFS 2019h), dies entspricht rund 3% des durchschnittlichen Erwerbseinkommens pro Jahr und Haushalt (BFS 2019i).

Box: Die Weinförderung ist im Bundesrat angekommen – der «Parmelin-Effekt»

Seit der ausgebildete Winzer Guy Parmelin 2015 in den Bundesrat gewählt wurde, haben sich die Mittel, die den Weinbauern zufliessen, signifikant erhöht. So ist die Absatzförderung um 13% auf 3,2 Mio. Fr. gestiegen, die Förderung des Weinbaus hat gar um 23% zugenommen und liegt aktuell bei 1 Mio. Fr. pro Jahr. Die Weinbauern profitierten 2018 dank dieser Entwicklung von zusätzlichen Steuergeldern in der Höhe von über einer halben Million Franken gegenüber 2015 (+16%) (BLW 2016, BLW 2019a).

Ebenfalls einschenken wird eine Ende 2019 neu beschlossene Massnahme: Während 13 Monaten sollen Schweizer Weine bei den Grossverteilern und in Gaststätten mit Steuergeldern beworben werden – dies zusätzlich zur bereits genannten Absatzförderung. Der Hintergrund: Während der Konsum Schweizer Weins leicht zunahm, stieg die Weinernte 2018 überproportional. Die Folge: volle Lager und lautstarke Klagen der Winzer. Ein runder Tisch mit Vertreter des Branchenverbands Schweizer Reben und Weine, des Schweizer Bauernverbands sowie der Grossverteiler ergab, dass sie «geschlossen hinter dem Anliegen stehen, die finanzielle Unterstützung für die Absatzförderung auszuweiten» (Bundesrat 2019). Beim Vorsteher des Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) stiessen sie dabei auf offene Ohren.

Auch im Parlament wird für den Schweizer Wein geworben: Alleine 2019 wurden drei parlamentarische Vorstösse eingereicht mit dem Ziel, das heimische Weinschaffen zu stützen (Bundesversammlung 2019). Dazu gehört u.a. eine neu einzuführende Pflicht für Schweizer Gaststätten, mindestens 50% des Weinangebots aus Schweizer Weinen zusammenzusetzen, was ein eklatanter Verstoss gegen die verfassungsmässig garantierte Wirtschaftsfreiheit wäre. Die Zukunft verspricht den Ausbau staatlicher Subventionen und Regulierungen zugunsten inländischer Gewächse, der seit 2015 festzustellende «Parmelin-Effekt» dürfte noch lange anhalten.

Negative Wertschöpfung von 16,3 Mrd. Fr. pro Jahr

Um eine ganzheitliche Aussage machen zu können, muss den volkswirtschaftlichen Kosten der durch die Agrarwirtschaft generierte Nutzen gegenübergestellt werden (vgl. Abbildung 2): Der landwirtschaftliche Gesamtproduktionswert (10,7 Mrd. Fr.) abzüglich der Vorleistungen (6,6 Mrd. Fr.) und Abschreibungen (2 Mrd. Fr.) ergibt eine Nettowertschöpfung von rund 2 Mrd. Fr. (2018; BFS 2019c). Hinzu addiert werden die gemeinwirtschaftlichen Leistungen zugunsten der Allgemeinheit (z.B. die Pflege des Landschaftsbildes) und der geschaffene Nutzen für die Umwelt; sie betragen 1,4 Mrd. Fr. (Vision Landwirtschaft 2018). Ebenfalls addiert werden die Zolleinnahmen (0,7 Mrd. Fr.; EZV 2019) sowie die Einnahmen durch die Versteigerung von Zollkontingenten (0,2 Mrd. Fr.; BLW 2019a), da diese Einnahmen bei einer Grenzöffnung wegfallen würden.

Die Netto-Betrachtung führt zu einer negativen Wertschöpfung von mindestens 16,3 Mrd. Fr. pro Jahr, dies entspricht 2,4% des BIP (BFS 2019g). Die wahren Zahlen dürften aufgrund nicht quantifizierbarer Kosten deutlich darüber liegen. Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist dieser Zustand kritisch, da für die ausgewiesene Produktion nicht nur intensiv gearbeitet wird, sondern auch weitere Ressourcen wie Kapital, Boden und Wissen eingesetzt werden, die in anderen Sektoren produktiver eingesetzt werden könnten.

Nur 46 Rappen auf 1 Fr. werden am Markt verdient

Gemäss dem «Producer Support Estimate» (PSE), der den monetären Wert aller Bruttotransfers misst, lassen sich 54% der Bruttoeinnahmen der Landwirtschaftsbetriebe in der Schweiz auf staatliche Unterstützungsleistungen zurückführen (OECD 2019, vgl. Abbildung 3). Somit wurden weniger als die Hälfte der landwirtschaftlichen Einnahmen – nämlich 46 Rappen eines Frankens – am Markt erzielt. Im internationalen Vergleich ist dies einer der tiefsten Werte: In der EU-28 werden 80 Rappen eines Frankens durch die Landwirte am Markt verdient, in den USA sind es 88, in Australien 98 und in Neuseeland gar über 99 Rappen. Das hohe Stützungsniveau der Schweiz ist international somit die Ausnahme und nicht die Regel.

3_Vergleiche mit anderen Politikfeldern

Knapp 0,5 Millionen Steuergelder pro Stunde

Betrachtet man statt den gesamten volkswirtschaftlichen Kosten der Landwirtschaft nur die Teilmenge der effektiven Ausgaben durch den Bund und die Kantone, resultieren 4,2 Mrd. Fr. (vgl. Abbildung 4). Dies sind stündliche Ausgaben von Steuergeldern in der Höhe von knapp einer halben Million Franken. Im Vergleich dazu beträgt das Globalbudget der ETH 150’000 Fr. pro Stunde – die Schweiz lässt sich also den Agrarsektor über dreimal mehr kosten als eine der besten Universitäten der Welt (BFS 2019f).

Agrarausgaben im Vergleich zu anderen Staatsausgaben

Die 4,2 Mrd. Fr. Ausgaben des Steuerzahlers für die Agrarpolitik sollen im Folgenden für eine bessere politische Einordnung mit anderen Staatsausgaben verglichen werden. Ist es beispielsweise sinnvoll, dreimal so viel für einen Vollzeitbeschäftigen in der Landwirtschaft auszugeben, wie für einen Schüler in der obligatorischen Schulzeit? Und sollte nicht lieber das Vorsorgesystem wieder ins Lot gebracht werden, anstatt pro Jahr und Kopf rund ein Viertel mehr Geld in die Landwirtschaft zu stecken, als ein durchschnittlicher Rentner nach jahrelangen Beitragsleistungen aus dem AHV-Topf beziehen kann?

Die Vergleiche sollen zum Denken anregen, auch wenn gewisse Relationen bewusst gewagt sind. Zusätzlich ist anzumerken, dass nicht die gesamten 4,2 Mrd. Fr. an die Bauern gehen, sondern dass – wie im ersten Teil erklärt – die gesamte agrarwirtschaftliche Wertschöpfungskette von Unterstützungsleistungen verschiedenster Art profitiert.

4_Vorschläge für eine Reform der Agrarpolitik

Die heutige Schweizer Agrarpolitik verursacht hohe volkswirtschaftliche Kosten und eine negative Netto-Wertschöpfung des Sektors. Eine umfassende Reform ist daher eine Notwendigkeit. Folgende Schritte sollten dabei u.a. angegangen werden (vgl. Dümmler und Roten 2018):

Grenzöffnung für Agrargüter. Diese Reformmassnahme hätte eine Reduktion der Lebensmittelpreise in der Schweiz, den Abbau von Grenzkontrollkosten sowie die Erhöhung der Chance auf den Abschluss neuer Freihandelsabkommen zur Folge. Im Sinne eines schrittweisen Vorgehens kann mittels verschiedener Stellhebel eine Teilliberalisierung erzielt werden (vgl. Dümmler und Anthamatten 2019). Dazu gehören u.a. mehrjährige Übergangsfristen (56% der Landwirte sind heute über 50 Jahre alt; BFS 2019t) oder das Angebot eines begrenzten, zusätzlichen zollfreien Kontingents an die Handelspartner.

Definition der Versorgungssicherheit: Der Begriff Versorgungssicherheit wird oft mit dem Selbstversorgungsgrad gleichgesetzt. Wichtig für die Versorgungssicherheit ist aber nicht eine möglichst hohe Produktion im Alltag, sondern eine hohe Flexibilität im Krisenfall. Dazu gehört der Bezug von Lebensmitteln aus möglichst vielen verschiedenen Quellen, z.B. durch Agrarfreihandel mit einem breit diversifizierten Länderportfolio.

Aufgabe von strukturerhaltenden Transfers: Diese Massnahme zielt auf eine Entlastung der Steuerzahler, den Abbau der Ungleichbehandlung mit anderen Sektoren sowie die Beschleunigung des landwirtschaftlichen Strukturwandels ab. Strukturerhaltende Transferleistungen beziehen sich v.a. auf Ausgaben des Bundes und der Kantone sowie weitere indirekte Privilegien wie etwa Steuerbefreiungen oder zinslose Investitionskredite (vgl. Dümmler und Anthamatten 2020).

Gemeinwirtschaftliche Leistungen (GWL): Die Direktzahlungen sollen die durch die Landwirtschaft erbrachten GWL abgelten. Der Wert der GWL wird jedoch deutlich tiefer geschätzt als die heutigen Direktzahlungen, denn längst nicht alle abgegoltenen Leistungen sind auch tatsächlich «gemeinwirtschaftlich». In Zukunft soll die Erbringung von GWL zu einem Service public agricole mutieren und ausgeschrieben werden. Die Leistungen wären nicht mehr zwingend mit einer bäuerlichen Tätigkeit verbunden.

Abbau der Regulierungsdichte und Stärkung der unternehmerischen Elemente: Die heutige Ausgestaltung der Agrarpolitik resultiert in einem regulatorisch administrierten Bauernstand, der unternehmerische Freiraum ist gering. Ziel muss sein, landwirtschaftliche Unternehmer zu haben, die durch Differenzierung und Innovation erfolgreiche Geschäftsmodelle aufbauen. In diesem Sinne sollte auch der Staat lediglich für die entsprechenden Rahmenbedingungen sorgen.

Senkung der Umweltkosten: Die Umweltkosten der Landwirtschaft sollen durch den Strukturwandel, eine standortgerechtere Landwirtschaft, Sektor-Vereinbarungen, technische Innovationen und Lenkungsabgaben auf umweltschädlichen Hilfsstoffen reduziert werden.

Der landwirtschaftliche Unternehmer sollte sich nicht ausschliesslich auf die grossen Akteure, Verbände und Organisationen des Agrarkomplexes verlassen, sondern bereits heute eigene Wege und Strategien suchen und finden. Dies bedeutet auch, nicht zuzuwarten, bis der Markt geöffnet ist, sondern sich bereits heute vorausschauend darauf vorzubereiten. 

Anhang: Neuheiten und Veränderungen in der zweiten Ausgabe des Privilegienregisters

Welche Positionen sind neu hinzugekommen?

Tabaksubventionen: Je Zigarette bzw. je Kilogramm Feinschnitttabak leisten Hersteller und Importeure eine Abgabe von 0,13 Rp. bzw. 1,73 Fr. in den Finanzierungsfonds der Sota (Einkaufsgenossenschaft für den Inlandtabak). Dadurch flossen im Jahr 2016 rund 14 Mio. Fr. in den Fonds, die den inländischen Tabakpflanzern im Rahmen eines regulierten Preissystems zugutekommen. Für den Endkonsumenten bedeutet dies einen Preisaufschlag von rund 0,3% bei der gängigsten Preisklasse für Zigarettenpackungen. Zu unterscheiden ist der Finanzierungsfonds der Sota vom Tabakpräventionsfonds, der für die Finanzierung von Tabakpräventionskampagnen genutzt wird und in den nochmals rund 14 Mio. Fr. fliessen.

Reduktion von Pflanzenschutzmittel: Neu wurden Beiträge für die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln im Obstbau, im Rebbau und im Zuckerrübenanbau geleistet. Im Rebbau konnte damit ein gewisser Erfolg verzeichnet werden, während die Attraktivität dieser Beiträge im Obstbau, wo der Pestizideinsatz sehr hoch ist, eher gering blieb. 2018 flossen 1,8 Mio. Fr. in diese Position.

Zweiphasen-Fütterung Schweine: Diese neue Ressourceneffizienzmassnahme hat zum Ziel, den Rohproteingehalt des Futters an den diesbezüglichen Bedarf der Schweine anzupassen, um den Stickstoff im Harn zu reduzieren. 2018 flossen 2,5 Mio. Fr. in diese Position. Beinahe 25% der Betriebe mit Schweinen haben daran teilgenommen.

Versteigerung der Zollkontingente: Bei Zollkontingenten wird oft das Versteigerungsverfahren angewendet. Mit Versteigerungen verteilt werden verschiedene Zoll- und Teilzollkontingente im Fleischbereich, bei Zuchttieren der Rindviehgattung, bei Milch-, Kartoffel- und Kernobstprodukten sowie bei Mostobst. In der Periode 2018 betrugen diese Einnahmen 201 Mio. Fr. und werden neu als volkswirtschaftliche Erträge ausgewiesen, da sie auf dem Grenzschutz beruhen.

Pflichtlagerkosten: Bei einem Abbau des Grenzschutzes könnten die Kosten für die Pflichtlager nicht mehr oder nur noch teilweise mit den heute beim Import erhobenen Garantiefondsbeiträgen gedeckt werden. Das Landesversorgungsgesetz (LVG, SR 531) sieht vor, dass der Bund die Kosten für die Pflichtlagerhaltung von Nahrungs- und Futtermitteln vollumfänglich übernimmt, falls die Mittel der Garantiefonds dazu nicht ausreichen. Demzufolge würde der Bundeshaushalt bei einem Wegfall des Grenzschutzes zusätzlich belastet werden, da auch die Garantiefondsbeiträge wegfielen. Die Höhe der Garantiefondsbeiträge im Ernährungsbereich wird auf rund 25 Mio. Fr. geschätzt.

Bodenverdichtung: Die fortschreitende Mechanisierung in der Landwirtschaft führt zu einer zunehmenden Radlast bei Mähdreschern. Diese hat sich in den letzten 60 Jahren mehr als verfünffacht. Dadurch nimmt die Bodenverdichtung weiter zu. Die daraus resultierenden Schäden und monetären Kosten werden als beträchtlich eingeschätzt. Sie entstehen vor allem durch Ernteverluste und Überschwemmungsschäden, aber auch durch erhöhte Treibhausgasemissionen. Für Schweden wurden die Kosten von Produktivitätsverlusten und Überschwemmungsschäden auf mehrere hundert Millionen Euro pro Jahr geschätzt. Eine Kostenabschätzung für die Schweiz würde auf zu vielen Annahmen beruhen, weshalb auf die Quantifizierung dieser Position verzichtet wurde.

Armee-Flüge (Wassertransporte): Die Schweizer Armee hat im Sommer über mehrere Wochen hinweg zugunsten von Alpwirtschaften Wassertransporte geleistet. Insbesondere in den Kantonen Waadt, Freiburg, Bern, St. Gallen, Appenzell Innerhoden, Glarus und Luzern sind aufgrund der aussergewöhnlichen Trockenheit auf vielen Alpen die Wasserquellen und Reservoire versiegt. Ziel war es, die Alpwirtschaften mit genügend Wasser zu versorgen, damit das Vieh nicht frühzeitig zurück ins Tal gebracht werden und/oder die Alpen den Betrieb einstellen mussten. Insgesamt haben Helikopter der Armee dabei rund 1343,6 Tonnen Wasser transportiert.

Steuerfreiheit bei Spirituosen: Gemäss dem Bundesgesetz (AlkG, Art. 16) können Landwirte für den Eigenbedarf die für ihren Haushalt und ihren Landwirtschaftsbetrieb erforderlichen Spirituosen aus Eigengewächs oder selbst gesammeltem inländischem Wildgewächs steuerfrei zurückbehalten. 

Welche Positionen haben sich stark verändert und weshalb?

Pestizide: Die ausgewiesene Kostenschätzung des Pestizideinsatzes in der Schweiz hat sich gegenüber der letzten Ausgabe um 25 Mio. Fr auf insgesamt 100 Mio. Fr. erhöht. Diese Zunahme berücksichtigt eine grobe Kostengrösse für die Sanierung der Trinkwasserfassungen, die in Zusammenhang mit dem Pestizideinsatz, v.a. Chlorothalonil, notwendig werden. Es wurden bereits zahlreiche Wasserfassungen vom Netz genommen und erste Pilotierungen von Aufbereitungen geplant. Chlorothalonil ist nur mit hochtechnischen, aufwändigen Verfahren zu eliminieren, weshalb von substantiellen Kosten ausgegangen werden muss. Die hier aufgeführten Folgekosten durch den Pestizideinsatz sind somit höchstwahrscheinlich unterschätzt.

Phosphor: Die Umweltkosten durch Phosphor sind aufgrund des gestiegenen Phosphorüberschusses gegenüber der letzten Ausgabe um 75 Mio. Fr. auf 275 Mio. Fr. gestiegen. In den letzten zehn Jahren belief sich der Phosphorüberschuss im Durchschnitt auf rund 5,5 Kilotonnen (kt) pro Jahr (2017: 5 kt). Überschüssiger Phosphor kann via Boden in Gewässer gelangen und insbesondere in Seen das Algen- und Pflanzenwachstum fördern. Beim Absterben und der Zersetzung dieser Biomasse kann es zu Sauerstoffknappheit kommen und damit zur Störung des ökologischen Gleichgewichts. So müssen z.B. Baldegger- und Sempachersee (beide Kanton Luzern) künstlich und mit grossem Aufwand belüftet werden. Diese Kosten werden zum grössten Teil der Landwirtschaft angelastet. Auch der Zugersee müsste saniert werden.

Biodiversitätsverluste: Die Kosten der schwindenden Biodiversität haben sich gegenüber der letzten Ausgabe um 200 Mio. Fr. auf 5,2 Mrd. Fr. erhöht. Sie steigen ohne Gegenmassnahmen kontinuierlich an. Die Landwirtschaft ist dabei nicht die einzige, aber eine wichtige Ursache.

Grenzschutz: Die Marktpreisstützung ist gegenüber der letzten Ausgabe um 0,6 Mrd. Fr. auf 3,1 Mrd. Fr. gesunken. Dieser starke Rückgang ist auf die geringere Differenz im Preisunterschied zurückzuführen.

MwSt.-Ausnahme: Die volkswirtschaftlichen Verluste aufgrund der Mehrwertsteuer-Ausnahme für Landwirte beim Verkauf von Erzeugnissen aus der eigenen Produktion haben sich um 60 Mio. Fr. auf 40 Mio. Fr. reduziert. Denn die Steuerausnahme stellt nur in Sachen administrativem Aufwand eine Privilegierung der Landwirtschaft dar, nicht jedoch in steuerlicher Hinsicht. Gemäss Berechnungen des BLW (2019a) hat die Ausnahmebestimmung keine direkte finanzielle Privilegierung zur Folge.

Reduzierter MwSt.-Satz: Die volkswirtschaftlichen Kosten von 64 Mio. Fr., die aufgrund des reduzierten MwSt.-Satzes bei der Einfuhr landwirtschaftlicher Waren und Tiere in der letzten Ausgabe errechnet wurden, sind in der zweiten Ausgabe des Privilegienregisters nicht mehr berücksichtigt und betragen somit 0 Fr. Dies aufgrund der Tatsache, dass es sich gemäss Argumentation (BLW 2019b) nicht um eine monetär messbare Privilegierung handelt.

Produktionswert der Landwirtschaft: Der Produktionswert der Landwirtschaft wird nicht mehr zu Preisen an der Grenze ausgewiesen, sondern zu Herstellungskosten abzüglich der Vorleistungen und Abschreibungen. Das Ausweisen zu Preisen an der Grenze hat zu einer Doppelzählung geführt, weil die Preisverzerrungen des Grenzschutzes bereits in der Position «Kosten des Grenzschutzes» berücksichtigt werden. Dies führt neu zu einem Produktionswert von rund 2 Mrd. Fr.

Die vollständige Studie inkl. Literaturhinweise steht hier zum Download bereit.

Dank

Die Autoren danken Prof. Dr. Reto Föllmi und Prof. em. Dr. Giorgio Behr für die fachliche Unterstützung bei der Ausarbeitung dieser Analyse. Die Verantwortung für den Inhalt liegt alleine bei den Autoren und beim Direktor von Avenir Suisse, Peter Grünenfelder.